Mein Ego und ich - Dreier
Wenn man mit zwei mehr oder weniger fremden Männern gemeinsam in den Urlaub fährt, birgt das ein gewisses Gefahrenpotential. Also zum Beispiel, dass man diese fremden Männer eben nicht kennt. Hört sich jetzt ziemlich logisch an, ist es vermutlich auch. Konkreter gesagt handelte es sich bei den Fremden um einen ehemaligen Schulkameraden und einen Freund eines Freundes.
Ich holte die zwei Herrschaften am Flughafen ab.
Der erste Eindruck:
Freund eines Freundes:
Braungebrannter Sunnyboy. Etwas muskulös. Tolle Augen. Bräunung könnte auch vom Münz-Mallorca kommen - er behauptet, von den letzten Sonnenstrahlen in Deutschland. Etwas größer als ich, etwas muskulöser - tippe auf Fitnessstudio. Fröhlich, freundlich - grinst immer ein wenig - neigt ein wenig zum "debilen" Grinsen.
Ehemaliger Klassenkamerad:
Wir waren mal beste Freunde. Bis er damals beschloss etwas Richtung illegale Rauschmittel abzudriften. Mittlerweile hat er sich wieder etwas gefangen. Leider nicht mehr so ganz im Gewicht. Trotz einer Führungsfunktion und eines BWL-lastigen Studiums hat eines nicht gelernt: Stil. Damit meine ich nicht, dass er unmöglich rumgelaufen ist. Aber zum typischen Deutschen (er ist prinzipiell eigentlich türkischer Abstammung) fehlte ihm nur noch die Videokamera um den Bauch und der Hut aus dem Baumarkt. Teile seiner Haarpracht hat er auch daheim gelassen - da hab ich eindeutig mehr Glück (mit meinen Haaren).
Nun zu den charakterlichen Stärken der beiden:
"Mach mal ein Foto von mir [im Flughafen]" - keine Ahnung welche narzistische Veranlagung jemand dazu treibt, Bilder von sich selbst im Flughafen machen zu lassen. Und im Boot. Und im Zug. Und im Bahnhof. Und im Restaurant. Und mit einer netten Dame vor dem Restaurant. Und mit anderen Bekannten. You know, what I mean. Besonders imposant fand ich die Szene, wie er mit seiner Baseballkappe (immerhin ersparte ihm das im Gegensatz zu mir diverse Sonnen-Unfälle) den Koffer über den Sandstrand ziehend zur Unterkunft unterwegs war. Davon gibt es leider kein Bild. Ich hatte ja einen meiner Sonnenunfälle und war geschwächt. Die Adiletten für den Strand hat er dann auch erst später aus dem Koffer rausgeholt. Damit hatte man immerhin eine Sonderstellung zwischen all diesen übermodischen Flip-Flops-Trägern. Interessant waren auch die gemeinsamen Abendunternehmungen: "Ey, lass uns Party machen!" -- gesagt und getan. Fast getan. Er war derjenige, der immer in der Strandbar eingeschlafen ist. Immerhin hatte er den Mut, und sich nach den Preisen der ortsansässigen Massagistinnen erkundigt. Aber er zahlt ja nicht für Sex. Also nicht für richtigen. Handgefälligkeiten und mündliche "Versprechen" sind ok.
Der andere war auch nicht besser:
Lässig steht er an seinem Cocktail saugend da und hat einfach nur Glück. Die Frauen sprechen entweder ihn an - oder durch eine wie auch immer glückliche Fügung des Schicksaals, werden sie ihm sozusagen auf dem Tablett serviert. Ich bemerke die aufkommende Spannung zwischen dem neuen "Paar" (der andere schläft ja) und ziehe mich etwas zurück. Als die beiden die aufkommende Spannung auch bemerken, vergessen sie meine Schuhe und gehen einfach woanders hin. Kein Problem. Sand kann man glücklicherweise einfach wieder ausstreuen. Und dadurch, dass ich die beiden ja trotz meiner Abwesenheit im Blick hatte, war mir auch klar, dass die nicht wiederkommen. Großen Respekt gebührt ihm, dass er als einziger im Urlaub gescored hat. Bei der letzten Dame hätte ich allerdings dankend verzichtet. Sie war jetzt nicht unbedingt hässlich, aber: Ich hielt sie erst für einen geborenen Mann. Sie hatte eine Brustvergrößerung und vermutlich noch mehr chirurgische Eingriffe. Falls sie kein Mann sein sollte, dann ist sie vielleicht eine Professionelle? Nach seiner Erzählungen hat sie jedoch kein Geld verlangt. Also hat er gesagt.
Warum ich das alles hier schreibe? Weil ich mich prinzipell für einen besseren Menschen halte. Wohlerzogen, gebildet und höflich. Freundlich, hilfsbereit zuvorkommend und unterhaltsam. Und manchmal rege ich mich vielleicht auch grundlos über Dinge auf. Und ich schweige. Weil ich ja wohlerzogen, ...
30. Entfrustet.
desperatehouseman - 12. Mai, 22:44